Nun sind wir also unterwegs
Ein Haus weniger, ein Himmel mehr
Die Straße hinter uns windet sich durch Olivenhaine und graue Felsen. Vor uns liegt das Meer. Vier Tage und Nächte liegen jetzt hinter uns - viel zu früh für irgendeine Art von Resümee oder für Erfahrungsberichte.
Im Moment sitzen wir auf einer Insel (Hvar) in Kroatien, haben einen Tag zum Durchatmen eingelegt und liegen am Pool, gehen im Mittelmeer baden und genießen die Oktobersonne, die hier noch ziemlich warm ist und sich ein wenig wie “deutscher Sommer” anfühlt.
Der Abschied von Taubenheim war - wie soll man das sagen? - ziemlich stressig. All die Euroboxen, die noch nicht fertiggepackt waren. Der halbvolle Kühlschrank. Die vielen kleinen, leidigen Dinge, die sich über die Jahre angesammelt und nun keine Verwendung mehr haben. Tausend Entscheidungen: Was bleibt da? Was kommt mit? Was kommt weg?
Und zwischendrin immer wieder Freunde, die uns verabschieden wollen. Liebe Grüße. Gute Wünsche. Hier und da eine Träne oder einfach ein “Man sieht sich!”
Wir haben es letztlich trotzdem geschafft. Mit gerade mal zwei Stunden Verspätung haben wir unsere ehemalige Heimat am 15. Oktober 2025 gegen 12 Uhr ohne jeglichen Pathos verlassen. Der Himmel dunkelgrau. Leichter Regen. Und zwei, drei Dinge, die versehentlich in die falsche Kategorie von “mitkommen” oder “dableiben” gerutscht sind.
Nach einem Abstecher in den Nationalpark Plitvicer Seen - einer Feenlandschaft in den dinarischen Bergen - haben wir gestern bei 25 Grad in der Sonne das Mittelmeer erreicht, in dessen Nähe wir uns nun bis voraussichtlich Ende Mai nächsten Jahres aufhalten werden.
Ein wenig komisch kommt uns das im Moment durchaus vor. Es fühlt sich so an, als machten wir gerade Urlaub. Und doch ist es keiner. Zumindest nicht wirklich. Wir werden wohl eine Weile brauchen, bis sich das neue Normal tatsächlich normal anfühlt. Nach so kurzer Zeit ist das definitiv noch nicht so.
Wir saßen gestern Abend - weit nach Mitternacht - noch bei einem Glas Wein auf der Terrasse. Dabei kamen uns zwei Gedanken auf. Der eine - eigentlich eine Frage - war, warum wir das nicht schon früher angegangen sind. Es ist ja nicht nur so, dass es hier sehr schön ist. Und noch warm.
Nein. Uns war gestern Abend eher sehr leicht zumute, was damit zu tun hat, dass wir jetzt unser Leben selbst in der Hand haben und nicht mehr nach irgendeinem Plan, den andere für uns aufgestellt haben, “funktionieren” müssen.
Die Ferien sind morgen nicht unerbittlich zu Ende. Wir müssen nicht in sieben Tagen zurückfahren, weil dann der Urlaub vorbei ist. Der Wecker klingelt morgen nicht um 6:00 - zumindest nicht, ohne dass wir das wollten. Ja, es ist nicht einmal ein Briefkasten da, den wir leeren müssten.
Das soll nicht heißen, dass wir nichts mehr zu tun hätten. Das haben wir sehr wohl. Aber von nun an entscheiden wir das selbst. Da ist einfach niemand mehr, der entscheiden könnte, was wir wann und wie zu tun haben. Und das wirkt auf uns sehr befreiend.
Der zweite Gedanke, der uns beim zweiten Glas Wein kam, war der, dass wir bis vor Kurzen wahrscheinlich einfach viel zu viel “hatten”: ein großes Haus samt großem Grundstück. Und sehr viele Dinge, die sich darin und darum unterbringen ließen.
All das macht jedoch jede Menge Arbeit: aufräumen, putzen, pflegen, einsortieren, aussortieren, erneuern, umstellen, archivieren, ersetzen usw.
Es ist sicher nicht so, dass wir jetzt gar nichts mehr hätten. An unserem gar nicht so kleinen Auto hängt ein gar nicht so kleiner Anhänger, der fast voll ist mit allem möglichen Zeug. Dennoch fühlt sich das schon jetzt anders an. An und für sich erstaunlich, aber es ist so.
Unser Anhänger ist unser mobiles Warenhaus - aus dem wir je nach Situation so viel oder wenig herausnehmen, wie wir es gerade benötigen. Das meiste davon ist damit in unserem Alltag nicht mehr wirklich präsent. Und das verringert die Anzahl der Dinge, um die man sich kümmern muss, zumindest subjektiv.
Komisch, auf welche Gedanken man so nach so kurzer Zeit kommt …
Wenn wir an Zuhause denken, dann denken wir im Moment vorwiegend an Micha. Wir hatten mit ihm und Susan (die beiden haben unser Haus übernommen) und Freunden drei Tage vor Abfahrt noch einen großen Gänsebraten mit allem Drum und Dran gegessen. Ein wahres Festmahl.
Am nächsten Tag war Micha dann schon im Krankenhaus. Einen Tag nach unserer Abfahrt - an seinem Geburtstag - lag er auf dem OP-Tisch. Wieder Metastasen - und nicht nur eine.
Wir hoffen so, so sehr, dass Micha es schafft und den Krebs irgendwann besiegen kann. Er ist gerade tapfer ohnegleichen.
“Täubchenheim” - wie er es liebevoll nennt - ist sein Herzensprojekt geworden. Etwas, das er wirklich gern angehen will. Und nun ist das wieder offen. Niemand weiß derzeit, wo die Reise mal hingehen wird.
Die Sonne steht jetzt tief über dem Meer. Die Kinder lachen unten am Strand, und das Licht wird langsam weicher. Es fühlt sich noch wie Urlaub an. Doch vielleicht ist das nur ein Übergang – zwischen dem, was war, und dem, was jetzt beginnt.
Und irgendwo, weit weg, kämpft Micha darum, dass auch für ihn etwas Neues beginnen kann. Auf seine eigene, zähe Weise.
Im letzten Newsletter hatten wir das Interview mit der Morgenpost bereits angekündigt. Nun ist es kurz vor unserer Abfahrt erschienen – sowohl in der Print- als auch in der Onlineausgabe (hier nachzulesen). Der Artikel hat uns viele neue Abonnenten gebracht, worüber wir uns sehr freuen.
Allen, die erst seit Kurzem dabei sind, möchten wir an dieser Stelle ein herzliches Willkommen sagen – und uns für euer Vertrauen bedanken. Es bedeutet uns viel, dass ihr diesen Weg mit uns mitgeht.
Wir wären neugierig zu erfahren, was euch an dieser Geschichte bewegt. Vielleicht habt ihr ja Fragen, Gedanken oder einfach etwas, das ihr mit uns teilen möchtet. Schreibt es gern in die Kommentare – wir freuen uns darauf, mit euch ins Gespräch zu kommen.







Das ist mir bekannt, liebe Anja, Euer Nächstes Reiseziel ist Kreta zum Überwintern und dann geht es voraussichtlich nach Südamerika...alles ganz wunderbar !
Ich habe selbst die halbe Welt bereist und genug gesehen, jedoch das schönste Land war und bleibt für mich immer Russland. Hier kamen mir natürlich stets auch meine hervorragenden Sprachkenntnisse zugute, als gelernter DDR - Bürger, während mir Spanisch spanisch vorkommt... ;-) Eigentlich ist es auch völlig egal, wohin Ihr reist, denn "Der Weg ist das Ziel" und Leute wie Ihr kommen überall klar... !
Liebe Anja, lieber Holm, liebe Kinder,
mit großem Interesse lese ich eure Beiträge und bin immer schon gespannt, was ihr zu berichten habt.
Ich fühle mit euch und so vieles was ihr vom bisherigen Leben beschreibt passt 1:1
Das wird mir durch eure Berichte bewusst und ich komme ins grübeln oder zumindest ins Nachdenken. Dann überlegt man, ob das eigene Leben - so wie man es gerade lebt - mich glücklich und zufrieden macht.
Ich bewundere euch für euren Mut und freue mich auf eure weiteren Erzählungen!
Ganz liebe Grüße aus dem hohen Norden